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Drei Briefe aus der Zeit zwischen Anfang Februar bis Ende März 1945. Sie wurden an von einer Familie geschrieben und schildern die Situation in dieser Zeit um Stettin-Podejuch herum. Alle Namen wurden geändert!

Stettin-Podejuch, den 8.2.1945

 Liebe Tante Wilhelmine!

Ich soll heute im Auftrage von Mutti an Dich schreiben, Mutti ist beschäftigt mit Rucksack- und Taschennähen, denn wenn wir von hier fortmüssen, möchten wir doch etwas wenigstens mitnehmen. Die Russen stehen 40 km vor Podejuch, der Ort selbst gleicht einem Heerlager, die Straßen sind überall mit Panzersperren verbarrikadiert, wir sind also richtig Kriegsgebiet geworden. Oma und Opa, ihm geht es gar nicht gut, wollen mit Lutzchen fort, denn wenn erst der Räumungsbefehl kommt, geht alles drunter und drüber, da wird ja dann nicht mal auf Alte und Kranke Rücksicht genommen. Daß sehen wir jeden Tag, wenn die Flüchtlingszüge hier durchfahren. Auf der Autobahn kriechen endlose Trecks von Ostpommern kommend, entlang. Du kannst Dir sicher vorstellen, in was für einer Verfassung die Großeltern und Mutti sind. Wir wissen ja auch gar nicht wohin, und wollten uns im Notfall nach Hamburg wenden. Ob wohl wenigstens Opa, Oma und Lutz zu Euch kommen können? Wir andern müssen bis zu letzt hierbleiben. Wir müssen uns, fest an die pommersche Erde krallen, laut Aufruf unseres Gauleiters. Ach, es ist alles zu traurig. Vati ist Volkssturmmann, er ist nie hier, nur bei den Mahlzeiten sehen wir ihn kurz. Wilhelmine und ich schippen mit am Wall um Stettin, hoffentlich nützt er was, noch besser, wer wird nie gebraucht. Eben sagt Vati, daß heute Nacht 17 Sowjetpanzer bis Garden (10km von hier) es liegt vor Binow, wohin wir früher unsere Radtouren machten, eingedrungen sind, 14 davon haben unsere Soldaten erledigt.

Schreibt schnell!!!

Eure Luise

Liebe Wilhelmine! Der Abschied vom Häuschen fällt mir doch am schwersten. Wir sehen 100 Möglichkeiten …….. es geht aber in dieser kritischen Stund nicht. Die Hauptsache bleibt, hier einigermaßen gut fortzukommen – wir wahrscheinlich zu Fuß um dann – als Zigeuner weiterzuleben.

 

Stettin-Podejuch den 14. Febr. 1945 (19. eingegangen)

 Liebe Wilhelmine!

Deine Antwort vom 10. auf meine beiden Karten vom 2. ds. Mts. erreichte uns heute. Dein vorangegangener Brief den Du erwähnst, ist nicht bei uns eingetroffen, also wohl verlorengegangen.

Herzlichen Dank der liebe Annatante und Dir für Eure Einladung. Wenn ich könnte, schickte ich meine sieben Lieben hier – den August muß ich ja gezwungenermaßen in seinem KLV Lager lassen – morgen schon los. Lieder geht es nichts so. Thora und Wilhelmine dürfen ihren Arbeitsplatz in der Glanzstoff-Fabrik, der das Arbeitsamt sie im Kriegseinsatz der Fachschülerinnen zugewiesen hat, nicht ohne Genehmigung verlassen, obwohl sie ihn z.Zt. gar nicht ausfüllen, sondern zum Schippen an den Befestigungen um Stettin abkommandiert sind. (Und eine Genehmigung zur Flucht kriegen sie vorerst nicht.) Ich kann nur hoffen, dass Luise im Notfall, wenn sich hier alles zivile Leben aufzulösen beginnen sollte und man auf Genehmigungen u. dergl. dann allgemein pfeift. gerade noch mit den Kindern entwischen kann (natürlich zu Fuß – denn die Eisenbahn – ach du lieber Gott!). Früher wird es der blühende Optimismus, der verantwortlichen Stellen schwerlich erlauben, obwohl er anderswo schon so viele Volksgenossen den Iwans hat in die Hände fallen lassen oder sie, wie in Königsberg/Pr., der Einkesselung überliefert hat. Die Eltern und mit ihnen Erna, die sie als Hilfe bei sich behalten müssen, sind überhaupt darauf angewiesen abzuwarten, ob wenigstens den Alten und Gebrechlichen eine Fluchmöglichkeit mit der Eisenbahn eröffnet wird.

Sei bedankt für Deine sehr vernünftigen Ratschläge und guten Wünsche, liebe Wilhelmine. Ich habe nur sehr wenig Hoffnung auf irgendein Wunder, welcher Art es auch sei, durch das unser armes Deutschland noch gerettet werden könnte. Die Kräfte sind allzu ungleich verteilt. Aber ganz gleich: gegenüber dem, was der Haß der Feinde mit uns vorhat (und im Abschlußkomminique der Schwarzmeerkonferenz soeben für jeden, der Bedeutung und Folgen der darin kundgegebenen Absichten Deutschland gegenüber ermessen kann, deutlich genug nun auch offiziell hat durchblicken lassen) – demgegenüber kann es nur Kampf bis auf Letzte geben.

Es grüßt dich und Tante Anna herzlich

Dein Hans

 

Stettin, den 20. März 1945

Liebe Wilhelmine!

In den vergangenen Wochen habe ich nun einen großen Teil von den Schrecknissen des Krieges aus eigener Anschauung erlebt und habe alles – Artilleriebeschuß, Granatenwerferfeuer, Stalinorgel, Bombenangriffe und Brandwaffenbeschuß – Gott sei Dank heil und ohne die Nerven zu verlieren überstanden. Aber es ist nicht leicht, und manches, was ich gesehen habe, zum Ekelerregen grauenhaft. In unserem trauten Häuschen haben sich nun, wenn es noch stehen sollte, die Iwans niedergelassen, und alle unsere Habe ist dahin außer dem Wenigen, was die Eltern, die Kinder, und Luise mitnehmen konnten.

Wenn nur ein Ende, und zwar ein einigermaßen tröstliches Ende des Krieges abzusehen wäre!

Wie geht es dir und Annatante und deinem Mann? Ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr glimpflich durch alles noch Bevorstehende hindurchkommt und Euer Heim behaltet. Schreibe bald einmal.

Hans

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